Rede zur Ausstellungseröffnung des Medienkunstprojektes

Euroscreen21 im PAN kunstforum, Niederrhein, Emmerich

am 20.7.2003 von Dr. Andreas Broeckmann, Leiter des internationalen Medienkunst-Festivals transmediale, Berlin

Willkommen und herzlichen Dank für die Einladung zur Eröffnung der Ausstellung euroscreen21. Für mich ist dies kurioser Weise der erste öffentliche Auftritt am Niederrhein seit meiner Abiturfeier vor 20 Jahren. Es freut mich, im Rahmen der Eröffnungswoches des PAN kunstforum diese Videokunstausstellung einführen zu können, denn es ist ein wichtiges Signal, dass das PAN kunstforum sich den verschiedenen Bereichen der Gegenwartskunst öffnen will. Immerhin ist Video inzwischen ein etabliertes und viel genutztes künstlerisches Medium, das seit über 30 Jahren zunehmend Verwendung findet und heute aus der Gegenwartskunst kaum noch wegzudenken ist.

Wir machen mit der transmediale in Berlin ein Festival, das als Videofest entstand und seit den 80iger Jahren Kunst mit Video und anderen neuen und digitalen Medien zeigt. So ein Festival funktioniert nach ganz anderen Regeln, als ein Haus wie dieses- 20.0000 Besucher kommen in einer Woche, statt wie hier kontinuierlich über das Jahr, einzeln oder in kleinen Gruppen, meist mit Muße. Ich beneide Galeriekuratoren bisweilen um die Dauerhaftigkeit und langsamere Dynamik ihrer Ausstellungstätigkeit. Hierin liegt vor allem auch eine Chance, die das PAN kunstforum nutzen kann, nämlich sich längerfristig mit den künstlerischen Möglichkeiten der neuen Medien zu beschäftigen.

Während der künstlerische Film, wie wir ihn in Galerien heute begegnen, stark narrativ ausgerichtet ist, widmet sich die Videokunst der Gestaltung von medial vermittelten Bildern in der Zeit, eine Bildkunst, die beeinflußt wird von Medienästhetik und digitaler Ästhetik. Hiermit verbindet sich der Vermittlungsauftrag an Kunstinstitutionen, diese Bilder lesbar und erfahrbar zu machen, und gemeinsam mit ihrem Publikum neue Sehgewohnheiten zu entwicklen.

Kulturstaatsministerin Christina Weiss hat jüngst dafür plädiert, Film als Unterrichtsfach an deutschen Schulen ein zu führen. Ich halte es für mindestens ebenso wichtig, und vielleicht wichtiger, Kindern und Jugendlichen einen kreativen Umgang mit Medien wie Video, Computer und Internet bei zu bringen. Nur so werden sie die notwendige Kompetenz entwickeln können, die ästhetischen und die kommunikativen Dimensionen der Informationsgesellschaft eigenständig und kritisch mit zu gestalten.

Zu dieser neuen medialen Situation gehört auch, dass ganz neue geografische Verknüpfungen möglich werden; bei Euroscreen21 überlagern sich die Präsentation in der Galerie vor Ort mit der gleichzeitigen Präsentation der DVD in anderen europäischen Galerien, und mit den Möglichkeiten, die DVD zuhause an zu sehen, oder die Filme im Internet zu betrachten. Jeder dieser Distributionskanäle hat eine eigene Logik, die die Bedeutung des Programms anders bestimmt. Das Internet zum Beispiel sollte nicht als Konkurrenz zum Galeriebesuch verstanden werden - die kleinen Bilder auf dem Computerschirm dienen effizient der Information, können aber die Erfahrung in der Ausstellung nicht ersetzen. - Es wäre schön, wenn PAN daran arbeiten würde, diese verschiedenen Präsentationsmöglichkeiten weiter aus zu loten, internationale Kooperationen mit Galerien aus zu bauen und die Produktion künstlerischer Arbeiten auch in Zukunft zu fördern.

Euroscreen21 versammelt Arbeiten einer großen Zahl von Künstlern aus vielen verschiedenen europäischen Ländern. Bemerkenswert ist, dass zu diesem Europa nicht nur Länder der EU und der Beitrittsländer gehören, sondern wie selbstverständlich auch Bulgarien, Russland, die Türkei, Armenien und sogar die Schweiz! Die Künstlerinnen und Künstler sind nicht da als VerteterInnen ihrer Länder, sondern als eigenständige Künstlerindividuen, die sich im Medium Video ausdrücken. Insofern haben wir hier nicht ein Überblick über 'die' europäische Videokunst, sondern Videoarbeiten von in Europa lebenden Künstlern. Verschiedenste Stile, verschiedenste künstlerische Aussagen, die das Medium Video nicht abschließen, sondern Möglichkeiten eröffnen.

Nur insofern könnte man von einer 'europäischen Videokunstausstellung' sprechen: wenn wir nämlich als spezifisch für Europa sehen, daß es auch in größter Nähe eine immense kulturelle Vielfalt ermöglicht, Sprachen, Stile, Bildwelten, in der KünstlerInnen sich frei bewegen können, die Seiten wechseln, die Maskeraden wechseln, neue Bildräume entwerfen. Wenn 'Europa' verstanden wird als Prinzip der Vielfalt - dann ist hier ganz gewiß Europa, hier an der deutsch-holländischen Grenze, aber auch hier in diesem Netzwerk von Produktions- und Ausstellungsorten, die mit Euroscreen21 verbunden sind. Das ist eine ganz besondere kulturelle, raum-zeitliche Topologie aus Künstlernetzwerk, Galeriennetzwerk, DVD und Internet, und es stellt eine ganz besondere Vermittlungsaufgabe dar, diese Topologie spürbar, erfahrbar zu machen.

Die Vielfalt der Arbeiten bringt auch eine große Verschiedenheit in der Behandlung des Projekthemas “Heimat” mit sich. Die Vorstellung von “Heimat” folgt hier nicht einem einzelnen Schema, etwa der Verbundenheit zum Ort der Kindheit, sondern wird von einigen Künstlern bewußt negiert: sie stellen zum Teil die Möglichkeit einer Heimat in der modernen Welt in Frage und sehen uns als Nomaden in einer Welt der Entwurzelungen.

Nicht immer wird in der schnellen Abfolge der Bezug zum Thema gleich deutlich, und es wäre vielleicht interessant, bei einer späteren Präsentation von Euroscreen21 verschiedene Gruppen von Arbeiten heraus zu lösen, um die thematischen Korrespondenzen deutlicher vermitteln zu können. Insgesamt halte ich persönlich eine thematische Orientierung von Ausstellungen für eine gute Strategie, um die künstlerischen Arbeiten einzeln und insgesamt 'lesbar' zu machen. Den Besuchern würde ich raten, die einzelnen Arbeiten als “Bilder in Zeit” zu sehen. Einigen Videos würde es vielleicht gut tun, auf einzelnen Monitoren als Schlaufe präsentiert zu werden, da die gegenseitige Beeinflussung der Arbeiten in der Programmfolge natürlich recht groß ist.

Aber solche Einschätzungen sind teils Geschmackssache, teils bedeuten sie ein kuratorisches Experiment, das sich immer neu zum künstlerischen Experiment verhalten muß. Ich bin froh, dass das PAN kunstforum sich auf dieses Experiment im Dialog zwischen Künstlern und Publikum einläßt und gratuliere ganz herzlich zu diesem gelungenen, interessanten Beginn, der neugierig macht auf alles Weitere.