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Zu Gregory Chatonskys Medienkunstarbeit: "Topology of a Translation" für Euroscreen21.de/interactive
"Der menschliche Geist ist zur künstlerischen Fiktion fähig, je mehr er wahrnimmt- und je weniger er versteht", Zitat von Alain Robbe-Grillet, 2002.
Gregory Chatonsky, France/Canada
schafft in seiner interaktiven Arbeit "Topology of a Translation", eine computergenerierte Bilderwelt, eine philosophisch-poetische Allianz zwischen Kunst, Technologie und Lebenswelt. Er benutzt dazu wie zufällig ausgewählte
Textsegmente von Alain Robbe-Grillet, 3 Echtzeitwebcams, die aus Paris, Berlin und Manhatten übertragen, sowie reduzierte monotone synthetische oder reale Tonwelten.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit bewegen sich einzelne Worte. Ein
computergesteuertes System scheint die Abfolge einzelner Worte zu bestimmen. Unterlegt mit einem, an Herztonsignale erinnernden, synthetischen Tonrythmus schweben sie unaufhaltsam auf den Betrachter zu. Sie versetzen ihn in eine Art
Halbhypnose, denn unterschwellig lassen die langsam erscheinenden simpelen Worte wie: ... / in / the / labyrinth/ sick / mind / that /...den Betrachter nicht aus dem eigenen Assoziationsmechnismus entweichen.
Auf den vorhandenen
Bildebenen a ) Webcam: Stadtansicht und b) typografisch äesthetische Textsegmente, entsteht eine 2. Kinoebene. Die ganz persönlichen "Bilder im Kopf" des Betrachters. Chatonsky als Medienkünstler gelingt es hier auf höchstem
Niveau, gleichwie in der kunsthistorischen Vergangenheit z.B. im Medium der Malerei, einen hermitisch geschlossenen Illusionsraum herzustellen. Durch die Komplexität der wahrgenommenen Elemente, einem unaufhaltsamen Fluß von Gedanken über
Existenz, Zeiträume und Rituale (zum Teil expliziet gewaltnah), bleibt das Bewußtsein in ständiger Entwicklung und Wandlung.
In einem fiktionalen Konstruktionsspiel werden neue Wahrnehmungspotentiale geweckt, unterstützt von ästhetisch
sensiblen Verfremdungen in Wort und Bild. Menschen bleiben anonym und unpersönlich. Drei rote Punkte stehen stellvertretend für Hauptstädte. Auf einem schwarz weißen Weltkartenfond erlauben sie den Einstieg in eine fremde Welt, deren
unterschwelligen Signale von Gefahr kaum zu verdrängen sind. Das Gesamtkunstwerk, daß neben "Topology of a Translation" aus 5 anderen Teilen besteht, betitelt Chatonsky mit " The Sampling Project". Die umfangreiche
Arbeit bildet eine rätselhafte virtuelle Realität, die kontinuierlich im Fluß ist. Dabei gibt sie vermeintlich Antworten.
Zentrale Themen bleiben. Sprache, Übersetzung, Raum einerseits und Architektur, soziale Bezüge andererseits
fixieren den Betrachter in einem ruhelosen Zustand auf der Suche nach bekannten Konstanten. Integriert in das Euroscren21 Projekt, in dem es um verschiedene Betrachtungen von Heimat europäischer Künstler geht, liefert Gregory Chatonsky mit
diesem Werk die einzige interaktive Arbeit. Herausragend ist dabei nicht nur der Umgang mit dem Medium, sondern auch die inhaltliche aktuelle Sichtweise des Themas.
Europa wird hier im gesamtglobalen Zusammenhang gesehen. Die
"Weltkarte" mit New York bildet einen erhabenen optischen Standort und ermöglicht ein übergeordnetes Blick- und Beziehungsfeld. Inhaltlich verschachtelt diese Arbeit die Zeit - und Realitätsebenen. Die Grenzen zwischen einer
realen und unrealen Welt fließen ineinander. Die Realität wird zur eignenen Fiktion und das "Ich" austauschbar heimatlos. Die eingehenden Betrachtung vieler Wortpassagen zieht den Rezipienten in eine unterschwellig bedrohliche
Atmosphäre, welche einerseits unübersehbar den zum Teil obsessionellen Visionen Robbe Grillets entspringen und andererseits allgemein-politische Denkansätze anstoßen.
Die Arbeit schafft als Kunstwerk insgesamt neue Beziehungen von
Realitäten und ebnet den Weg für künstlerische Fiktionen. Somit entsteht in diesem Genre ein autarkes Werk, das die "Modernisierung" des Blicks unter Einbeziehung visueller Medien und philophischer Wahrnehmungs-therorien möglich
macht.
© Judith Nothnagel, 2003 |
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